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Das fünfte Evangelium

Aus neuzeitlicher Geistesforschung

Rudolf Steiner

Zes voordrachten:
Oslo, 1 t/m 6 oktober 1913 en Den Haag, 13 april 1922
[Archiati Verlag, 2011]

Vorwort
Der Mensch ist im Laufe seiner Entwicklung von den Höhen
des göttlichen Geistes immer tiefer in die Naturwelt
herabgestiegen. Durch die zunehmende Verbindung mit
der Welt der Materie ist er zu einem selbstständigen Wesen
geworden, er kann mittels des Gehirns «mit dem eigenen
Kopf» denken, er vollzieht durch seine Gliedmaßen Handlungen,
denen er eigene Willensimpulse zugrunde legt.
Dieses höchste Gut, die irdische Freiheit, hat dem Menschen
einen zweifachen Verzicht abverlangt. Die alte Verbundenheit
mit der Welt des Geistes ist verschwunden und
die innere Selbstständigkeit hat im Sozialen jene Atomisierung
hervorgebracht, die man gewöhnlich Egoismus nennt.
Die Erlösung aus diesem zweifachen «Sündenfall» Materialismus
und Egoismus setzt voraus, dass der Mensch sich
bewusst macht: Sein Geist kann nicht auf Dauer ohne intuitives
Denken und seine Seele nicht ohne fantasievolle
Liebe leben.
Jesus von Nazareth war der Mensch, der am allertiefsten
den Sündenfall der Menschheit in sich erlebt hat. Die
hier abgedruckten Vorträge schildern auf eindrucksvolle
Weise seine Erfahrungen mit dem damaligen Judentum,
mit dem Heidentum und mit dem Essäertum. Unendliches
Leiden füllte seine Seele angesichts der Aussichtslosigkeit
der Lage der Menschheit. Er konnte nicht wissen, dass der
göttliche Geist voller Liebe, der alle Geister des Sonnensystems
zur Einheit führt, beschlossen hatte, den Menschen
auf der Erde zu Hilfe zu kommen.
Die Kräfte des Mitleids, die damals Jesus von Nazareth
beseelt haben, können heute das Herz jedes Menschen erfüllen.
Jeder kann sich ein eigenes Urteil über die Lage der
heutigen Menschheit bilden, jeder kann tiefes Mitleid mit
einer Menschheit fühlen, die sich vom Geist noch weiter
entfernt hat und die Liebe noch weniger kennt. Jesus von
Nazareth musste feststellen, dass die Menschen nicht mehr
fähig waren, die Botschaft des Geistes zu verstehen. Heute
fehlt nicht nur das Verstehen, sondern auch vielfach das
Interesse. Der Materialismus ist für unzählige Menschen
von einer theoretischen Weltanschauung zur alltäglichen
Lebensweise geworden.
Die Lehre des Auferstandenen (Haager Vortrag) wird
heute in der Sprache der Geisteswissenschaft jedem Menschen
zugänglich gemacht. In ihr ist die Rede von einer
«stärkeren Kraft», wodurch der Mensch immer mehr Freiheit
im Denken, immer mehr Liebe im Handeln erleben
kann. Das Denken kann von der Bedingtheit der Gehirnstrukturen
befreit werden, die Liebeskräfte können von
allem erlöst werden, was den Menschen zum triebhaften
Handeln führt.
In den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung war in
der griechisch-römischen Welt eine hohe philosophische
Bildung kulturprägend geworden, die zu den Mysterien
des keimenden Christentums keinen Zugang finden konnte.
Einfache, ungebildete Menschen waren es, durch die
der Christus-Geist seinen Einzug in unzählige Menschenherzen
gehalten hat.
Die heutige Lage ist auch diesbezüglich schwieriger geworden.
Die moderne Bildung vermauert den Zugang zum
objektiven Wahrheitsgehalt der Welt. Wissenschaftliche Erkenntnis
gibt es ihrem Machtanspruch zufolge nur dort, wo
sinnliche Wahrnehmung möglich ist. Alles Übersinnliche,
alles Geistige kann nur Sache eines subjektiven Glaubens
sein, eines Glaubens, der in der Gestaltung der öffentlichen
Angelegenheiten keine Rolle spielen darf.
Rudolf Steiner schildert in diesen Vorträgen, wie beim
Eintreten des Christus-Geistes in die Erdenwelt alles damalige
Wissen sich dem geistigen Schauen als «Verfinsterung
» des Menschengeistes darstellt. Die Entwicklung
der letzten zweitausend Jahre, die den Menschen «zum
Gebrauch des menschlichen Intellekts und der menschlichen
Freiheit» (Haager Vortrag) geführt hat, ist zugleich
das größte Hindernis, jene epochale «Umkehrung» der
Denkkräfte zu vollziehen, durch die das Denken zum intuitiven
Leben im rein Geistigen gelangt. So wird es auch
für die nächsten Jahrhunderte nur eine «ungebildete» soziale
Schicht sein können, die sich für die Wiedergewinnung
des Geistes und der Liebe einsetzt.
Wie erfolgreich die heute herrschende Bildung die
Geisteswissenschaft in Abrede gestellt hat, zeigt sich an
den Verlautbarungen von Funk und Presse anlässlich des
150. Geburtstags Rudolf Steiners. Im Deutschlandfunk
(27.2.2011, «Kalenderblatt») wird zum Beispiel der gefeierte
«Rudolf Steiner-Experte» Helmut Zander mit den
Worten zitiert: «… er [Rudolf Steiner] musste sich in sehr
kurzer Zeit über sehr viele Themen informieren, auch über
solche, von denen er keine Ahnung hatte.» Oder man sehe
die Zusammenfassung des Artikels von Philipp Blom –
«Der Christus des kleinen Mannes» (Süddeutsche Zeitung,
26./27. Februar 2011, S. 15) –, wo es heißt: «Steiner
goss seinen Kindheitsglauben in Gefäße, die der Zeitgeist
formte». Das will sagen: Die Christologie Steiners stammt
dem Inhalt nach vom kindlichen Glauben (von der Kirche)
und der Form nach vom Zeitgeist. Von Rudolf
Steiner
selbst stammt nichts. In mehreren Zeitungen wird das
Urteil von Heiner Ullrich angeführt: «Sein schematischbildhaftes
Denken wird den methodischen und theoretischen
Ansprüchen heutiger Humanwissenschaften nicht
gerecht».
Für den Menschen, dem diese Vorträge zur Herzensangelegenheit
werden, kann die Versuchung groß sein, sich
mit ihnen ins stille Kämmerlein zurückzuziehen. Dadurch
würde aber der Zwiespalt, der das moderne Leben in allen
Bereichen kennzeichnet, nur noch vergrößert: auf der
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einen Seite eine Spiritualität, die am Leben nichts ändert,
auf der anderen Seite ein öffentliches Leben, das nach und
nach alle moralischen Werte preisgibt. Ganz anders war es
bei dem Christus, als er in den 30jährigen Menschen Jesus
einzog: Er suchte die ihm als Jesus vertrauten Armen,
Kranken und «Sünder» wieder auf, deren Not ihm zutiefst
nahegegangen war und deren Krankheiten er als Christus
heilen konnte.
Die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners spannt den
weiten Bogen vom tiefsten Esoterischen – wie es in diesen
Vorträgen lebt –, bis zu den menschheitlichen Angelegenheiten,
die heute die soziale Frage immer brennender machen.
Im Umgang mit einer solchen Geisteswissenschaft
kann die Versuchung noch größer sein, die esoterische Vertiefung
nur sektiererisch und das Wirken in der Öffentlichkeit
nur gefällig zu betreiben. Als Hilfe, beide Einseitigkeiten
zu vermeiden, wird im Archiati Verlag diesem Fünften
Evangelium das gleich ausgestattete Taschenbuch Der
soziale Organismus zur Seite gestellt.
Wenn der Leser dieser Vorträge Stunden der Einsamkeit
und der Bedrückung angesichts der Lage der heutigen
Menschheit erlebt, möge er die Stimme des Christus hören,
die ihm Mut macht, sich mit den Mysterien des Sozialen zu
befassen, die Liebe zu allen Menschen in seinem Herzen
immer tiefer und in seinen Taten immer konkreter werden
zu lassen. Er wird Mittel und Wege finden, die Einsamkeit
mit der Kraft der Liebe und die Bedrückung mit dem Mut
der Freiheit zu überwinden.
In einem Vortrag, den Rudolf Steiner am 18. November
1922 in London gehalten hat, spricht er vom Christus
als dem großen sozialen Reformator (in: Der große soziale
Reformator, S. 32-33): «In das soziale Leben können
die Christus-Kräfte einströmen! Ja, man redet heute viel
von sozialen Reformen, redet viel vom sozialen Fortschritt.
Wer wird der große Reformator des sozialen Lebens sein,
wenn unter den Menschen einmal im sozialen Leben die
Handlungen im Auftrag des Christus Jesus ausgeführt werden
…? Wer wird der große, auch soziale Reformator werden,
der Friede wird stiften können im sozialen Streit der
Erde? Der Christus allein wird es sein … Und die soziale
Tätigkeit wird eine Opferweihehandlung, sie setzt das fort,
was die alte Kultushandlung war. Der Christus muss, indem
er heute lebendig in dem Menschenwesen wirkt, auch selber
der große soziale Reformator werden.»
Der Geist der Sonne ist der Urquell des Lichtes des Denkens
und der Wärme der Liebe. In seiner Menschwerdung
ist er zum Geist der Erde und zum gemeinsamen Geist aller
Menschen geworden. In seiner unerschöpflichen Liebe
zur menschlichen Freiheit weckt er in jedem Menschen
das Schöpfertum des Denkens und die Fantasie der Liebe.
Pietro Archiati im Frühjahr 2011

Das fünfte Evangelium

Aus neuzeitlicher Geistesforschung

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